inzwischen nehme ich keine wetten mehr an. meine erste wette hatte ich direkt verloren. jamaika ist ge- platzt. ich dachte, angela merkel be- kommt das hin. aber eigentlich war klar, dass fdp-chef lindner derjenige in der jamaika-runde war, der am we- nigsten zu verlieren hatte. er hat die fdp aus dem nichts heraus in die re- gierung des größten bundeslandes nrw geführt. und anschließend mit einem überzeugenden wahlkampf in den bundestag. in seiner partei hat er keine geg- ner und kann frei handeln. eine re- gierungsbeteiligung um jeden preis hätte ihm am wenigsten gebracht, allenfalls jede menge risiken. dann also das abrupte ende der reise nach jamaika. ob das allerdings gut war, steht auf einem anderen blatt. zukunft unserer sozialsysteme wie auch immer geschehen – es heißt, dass die verhandlungspartner, die im ersten stock der baden-württember- gischen landesvertretung saßen, erst im fernsehen das statement lind- ners mitbekamen, der unten vor der tür der landesvertretung vor laufen- den kameras in die mikros sprach. über den stil kann man streiten. nicht aber darüber, welche verheerende wirkung der verhandlungsabbruch auf die zukunft unserer sozialsysteme, vor allem aber für die situation der freiberufl er, insbesondere der kie- ferorthopäden, haben dürfte. denn nun droht, so muss man es klar sagen, eine neuaufl age der großen koalition (groko), eine minderheitsregierung von sozialdemokratischen gnaden oder aber neuwahlen mit nicht abseh- baren folgen und kosten. egal wie es ausgeht: kaum hatte der (sozialdemo- kratische) bundespräsident den zau- dernden spd-vorsitzenden schulz auf groko-spur gebracht, stand als oberste bedingung die forderung der sofortigen umsetzung einer bürger- versicherung auf der agenda. als ob wir nicht andere probleme in deutschland hätten. schon mit dem großspurigen thema gerechtigkeit ist die spd im vergangenen bundes- tagswahlkampf alles andere als be- lohnt worden. also stellt sich ernst- haft die frage, was diese forderung soll und wem eine solche scheinso- ziale bürgerversicherung nützen soll. den ärzten und den patienten mit sicherheit nicht. in allen ländern, in denen sie praktiziert wird oder ein- geführt wurde, hat sie allenfalls zu gleich schlechten medizinischen ver- sorgungs-leistungen geführt. und wer reich genug ist, kann sich trotz- dem die besten ärzte und medika- mente leisten. was soll daran ge- recht sein? und wie hält es die spd mit dem thema gerechtigkeit, wenn refl exartig die abschiebung kriminel- ler asylbewerber in als sicher gelten- de gebiete syriens abgelehnt wird? das „gerechte bedürfnis“ der bürger nach mehr sicherheit und geordne- ten rechtsstaatlichen verhältnissen zählt wohl nichts mehr. gerade die bürgerversicherung zeigt, dass sie das gegenteil dessen be- wirkt, wofür sie angepriesen wird. nur einige der schein-argumente und die antworten darauf: mit der ab- schaffung des dualen systems der ge- setzlich und der privat versicherten soll die zwei-klassen-medizin besei- tigt werden. stimmt nicht! die wirklich wohlhabenden können sich erst recht die medizin leisten, die dem normalen versicherten nicht zukommt. die angeblich unterschiedlichen war- tezeiten in den sprechstunden wer- den beseitigt. stimmt: alle müssen dann länger warten, wie in england zu besichtigen ist. das gesundheitssystem wird besser fi nanzierbar und damit auf gleich ho- hem qualitätsniveau bleiben. stimmt nicht: die steuerkassen werden am en- de zusätzlich belastet, und damit der „kleine mann“. zudem fi nanzieren die etwa 11 prozent privat versicherten nahezu 26 prozent der praxisumsätze. viele bereiche des gesundheitswesens könnten allein von den kassenpatien- ten nicht überleben. für die pharma- industrie entfi ele der konkurrenzdruck. im dualen system profi tieren die gut verdienenden, weil sie privat versichert niedrigere beiträge zahlen. stimmt nicht: im alter steigen die beiträge in den privatversicherungen, während sie bei den gesetzlichen in der regel sinken. außerdem bilden die privaten altersrückstellungen, um den effekt abzufedern, in der gesetzlichen kran- kenkasse wird der junge versicherte für die älteren zur kasse gebeten. dies sind nur einige wenige beispiele dafür, dass die bürgerversicherung reine augenwischerei ist. unser ge- sundheitssystem hat sich in den letz- ten vier jahren in der zeit von ge- sundheitsminister hermann gröhe erfreulich konsolidiert. die zufrieden- heit der bürger mit dem system ist so hoch wie nie zuvor. noch bestehende schwachstellen müssen energisch an- gegangen werden. der systemwech- sel hin zu einer einheitsversicherung aber würde nach schätzungen bis zu 80 milliarden euro kosten und etwa 30 jahre dauern. zudem wäre sie we- gen der altersrückstellungen, die den privat versicherten gehören, verfas- sungsrechtlich mehr als bedenklich. in ihrer blanken angst vor dem 20-pro- zent-turm bei den nächsten wahlen verfällt die spd aber offenbar in bil- ligen populismus. mit beliebten the- men der linken wie einheitsrente, bedingungsloses grundeinkommen, reichensteuer oder bürgerversiche- rung glaubt sie verloren gegangenes wählerpotenzial zurückgewinnen zu können. denkt der spd-vorsitzen- de etwa ernsthaft, dass er sich damit durchsetzen kann? aber ich wollte nicht mehr wetten ...∑ dr. med. dent. mathias höschel vorsitzender des bundesverbandes verrechnungsstellen gesundheit e. v. pvs einblick 13